„She got me […] – and she has been dead for three month and a half“
H.P. Lovecraft – Das Ding auf der Schwelle
Die Stadt Arkham tatsächlich zu betreten wäre ein wahrgewordener Alptraum. Niemand will wahrhaftig in diese ewig bedrückende Welt, in der überall das Seltsame und Schreckliche lauert, in der die Normalität nichts weiter ist als ein zerbrechlicher Schein. H.P. Lovecraft, ein U.S.-amerikanischer Autor aus Providence, erschuf diese Horrorepik Anfang des 20. Jahrhunderts – ein Blick ins Internet und man kann sowohl alles Wesentliche über ihn selbst, als auch seine berühmten Geschichten nachlesen (Tipp zum Einstieg: „Das Ding auf der Schwelle“).
„Arkham Horror – das Kartenspiel“ ist eine Eintrittskarte in diese Welt. Glücklicherweise muss man nicht einmal vom Wohnzimmertisch aufstehen, um die Reise anzutreten. Alles was man braucht, ist das Grundspiel (zwischen 30 € und 40 €, je nach Anbieter) und etwas Zeit.
Eine ganz eigene Persönlichkeit
Als SpielerIn verkörpert man einen von insgesamt vier zur Auswahl stehenden Charakteren, die das unerklärliche Geschehen in der fiktiven Stadt Arkham und anderen Orten des Lovecraft-Universums untersuchen sollen. Auf dem Charakterbogen kann man in aller Kürze den Werdegang der gewählten Persönlichkeit nachlesen. Werte wie „Willensstärke“ oder „Kampfkraft“ sind ebenfalls abgedruckt; sie dienen als Grundlage für Spielproben, die der Spieler im späteren Verlauf durchführen muss.

Die Spielproben basieren dabei zum einen auf dem Grundwert, zum anderen auf Glück – über das Ziehen von bedruckten, dem Spiel beigelegten Markern aus einem nicht einsehbaren Behältnis (Tasse, Schüssel, Säckchen – ganz, wie man will) modifiziert der gezogene Wert (z.B. „-1“) den Grundwert. Liegt man über dem von der Probe geforderten Wert, ist man erfolgreich. Andernfalls verliert man die Probe. Je höher der Grundwert also ist, desto größer ist die Chance, zu bestehen. Daneben verfügt jeder Charakter über eine Spezialfähigkeit sowie Punkte für geistige und körperliche Gesundheit. Tod und Wahnsinn drohen, lässt man Letztere auf 0 sinken.

Dem/der SpielerIn steht neben den individuellen Grundwerten auch ein Stapel von Karten zur Verfügung, aus dem zu Beginn fünf und am Ende jeder Runde eine weitere zu ziehen sind. Der Stapel ist eigens für den gewählten Charakter zusammengestellt. „Arkham Horror – Das Kartenspiel“ ist also ein Deckbuilder, bei dem es auch entscheidend darauf ankommt, wie sich das eigene „Deck“ zusammensetzt.
Während der Spielzüge darf der/die SpielerIn die Handkarten spielen, soweit die dafür notwendigen Kosten der Karten aufgebracht werden können. Unterschiedliche Vorteile sind die Folge. So kann man seine Werte durch Tränke oder Waffen aufpolieren – vorübergehend oder dauerhaft – man kann sich zusätzliche Aktionen verschaffen, den Gegner schwächen, Verbündete die Angriffe von Gegnern einstecken lassen und so weiter und so fort. Hierfür stehen pro Runde drei Aktionen zur Verfügung. Dabei hat man jedoch die Qual der Wahl: Nicht nur das Spielen von Karten ist möglich, sondern auch andere Aktionen: Die Reise zu einem anderen Ort etwa, das Ziehen neuer Karten oder die versuchte Flucht vor einem Monster. Die Vielfalt an unterschiedlichen Vorgehensweisen steigt dadurch beträchtlich.
Eine ganz eigene Geschichte
Zwei gesonderte, doppelseitig bedruckte Kartenstapel führen durch das jeweilige Abenteuer des Spiels. Einer enthält die Geschichte im Sinne der dunklen Mächte, der andere jene, die den Erfolg des/der SpielerIn beschreibt. Auf der Kartenvorderseite sind neben dem Geschichtehäppchen bestimmte Ereignisse definiert – etwa das Sammeln einer bestimmten Anzahl von Markern – die, falls sie eintreten, dazu führen, dass die Karte umgedreht und der dort beschriebene Fortgang der Handlung gelesen wird. Die dann folgende, als nächstes auf dem Stapel liegende Karte zeigt dann, bei welcher Bedingung diese wiederum umzudrehen ist. Kurz gesagt – beide Stränge der Geschichte schreiten parallel voran. Ist der Spieler nicht schnell genug mit „seinem“ Stapel, ist das Böse schneller und es droht der Untergang.
Daneben gibt es Karten für Orte, die zu Beginn mit einer textlich nur knapp gehaltenen Vorderseite ausgelegt werden und dann auf ihre andere Seite umzudrehen sind, wenn der Spieler sich auf sie bewegt. Dadurch werden die auf der Rückseite beschriebenen Informationen und Handlungsoptionen für den Ort werden frei – meist können Hinweise gesammelt werden, die zum Voranbringen des eigenen, oben beschriebenen Stapels der Erfolgsgeschichte nutzbar sind. Ebenfalls per Symbolsprache hinterlegt ist die Verbindung zwischen den Orten – nur zwischen diesen darf sich der/die SpielerIn bewegen.
Ein weiterer, dicker Kartenstapel, von dem in jeder Runde eine Karte zu ziehen ist, ist der Mythosstapel. Die zugehörigen Karten lösen negative Ereignisse aus, die es zu überwinden gilt, etwa der Angriff durch ein Monster.

Nicht ohne Erwähnung bleiben darf, dass in dem kleinen mitgelieferten Heftchen zum Szenario nicht nur die Rahmengeschichte der einzelnen Abenteuer erzählt wird, sondern auch alternative Handlungsstränge für den weiteren Fortgang bedient werden. Sprich: Entscheidungen aus einzelnen Abenteuern haben unterschiedliche Auswirkungen auf die folgenden Abenteuer. So werden je nach gewähltem Handlungsstrang hierfür vorgesehene Texte für die fortschreitende Handlung angeboten und auch die im Spielerstapel verbleibenden Karten können – abhängig von der getroffenen Entscheidung – abweichen.
Der Spielablauf
Das Spiel ist, wenn man erst einmal durch das Regelwerk gestiegen ist, schnell aufgebaut und dauert dann etwa 30-60 Minuten. Jede Runde ist in insgesamt vier Phasen unterteilt – die Mythosphase, in der die bösen Kräfte walten. Die Spielerphase, in der die/der SpielerIn ihre bis zu drei Aktionen durchführt. Die Gegnerphase, in der Angriffe eingesteckt werden müssen. Schließlich die Unterhaltsphase, in der etwa Karten gezogen, Gegner wieder bereitgemacht und Ressourcen eingesammelt werden.

Die Phasen werden wiederholt, bis man entweder scheitert oder obsiegt. Am Ende des Abenteuers erhält man – wieder wie bei einem Rollenspiel – Erfahrungspunkte, die man gegen neue, mächtigere Karten eintauschen kann, die dann in den Spielerstapel gemischt werden und so beim Ziehen der Handkarten im nächsten Abenteuer einen Vorteil bedeuten können.
Insgesamt bietet einem das Grundspiel mit seinen drei Abenteuern einige Stunden Beschäftigung. Allerdings kann man das Szenario mit einem anderen Charakter mit anderen Fähigkeiten erneut durchspielen, gegebenenfalls andere Entscheidungen treffen und so die Geschichte anders gestalten. Die Materialien sind qualitativ sehr gut. Insbesondere die Gestaltung ist – wie bei Fantasy Flight für gewöhnlich – hervorragend gelungen und überaus atmosphärisch.
Fazit
„Arkham Horror – Das Kartenspiel“ ist ein hervorragendes Solo-Player-Spiel. Die innerhalb des Szenarios fortlaufende Handlung erzeugt eine dichte Atmosphäre. Auch Charakterbögen und Fertigkeiten fördern die Immersion. Die parallel fortlaufenden Handlungsstränge von „Gut“ und „Böse“ verhindern Durchhänger, das Spiel bleibt immer spannend. Die sehr vielseitigen Optionen, seinen Spielzug zu gestalten, führen zu einer befriedigenden Spieltiefe. Die Strategie ist hier oft das Mittel, um das eigene Glück optimal zu organisieren. Ein bisschen Glück muss man trotzdem haben: Auch, wenn man seine Karten perfekt spielt, kann der eigene Charakter vom Bösen verschlungen werden oder dem Wahnsinn verfallen.
Die große Stärke von „Arkham Horror – das Kartenspiel“ ist die Geschichte. Sie überzeugt durch überraschende Wendungen, bei denen regelmäßig vorangegangene Entscheidungen eine Rolle spielen. Bei diesen gibt es zudem kein „richtig“ oder „falsch“, so dass es meist schwerfällt, sich festzulegen – und die Wiederspielbarkeit ist hoch, da man beim nächsten Mal einen anderen Pfad einschlagen kann.
Aufgrund der großen Anzahl an bereits erschienenen und angekündigten Erweiterungen muss man nicht befürchten, nach dem Durchspielen des Grundszenarios auf dem Trocknen zu sitzen. Die Popularität sowohl der LCG-Reihe als auch des „Arkham“-Unviersums werden dafür sorgen, dass Fantasy Flight langfristig neuen Content produzieren wird. Allerdings muss man bereit sein, das Geld hierfür auszugeben.
Wer Horror zu seinen Vorlieben zählt, ein bisschen Fantasie mitbringt und gern abends ein Stündchen aus dem Alltag entfliehen möchte, der sollte nicht zögern. Dennoch ein letztes Wort der Warnung: Nur wenige, die die Tore der Stadt Arkham durschritten haben, sind je zurückgekehrt….
Gesamtwertung: 8,5 / 10
2 Kommentare zu „Arkham Horror – Das Kartenspiel“