Dungeon Crawler sind bei vielen Brettspielern hoch im Kurs. Das Fantasy-Thema ist beliebt. Brettspiele wie „Descent“, „Shadows of Brimstone“ oder „Gloomhaven“ kommen in großen, manchmal übergroßen, Spieleboxen, randgefüllt mit Kartenteilen, Schadensmarkern, Miniaturen, Ausrüstungskarten und vielem mehr. Die Spieler steigen auf der Suche nach Ruhm und Reichtum in finstere Verliese hinab, um im Kampf gegen grausame Kreaturen ihr Leben auszuhauchen.
Aber braucht man tatsächlich kiloweise Spielmaterial und daumendicke Regelhefte? Oder genügt auch ein Karton – nicht großer als ein Ziegelstein – als Brücke in eine fremde Welt…
Material und Setup
„One Deck Dungeon“ von Asmadi Games ist ein kleines Brettspiel. Die wesentlichen Bestandteile sind ein Stapel Karten in Standardgröße, eine Handvoll größerer Sonderkarten und viele, viele Würfel. Die Verarbeitung ist gut, auch wenn die Karten aus Karton nach einer Weile Gebrauchsspuren zeigen. Die kleinen Würfel sind einer Spielmechanik folgend verschiedenfarbig und – schick, schick – aus transparentem Kunststoff.
- Die schönen Würfel gibt’s zuhauf.
Die Illustrationen der Karten sind schön und stimmungsvoll, die Struktur der enthaltenen Informationen übersichtlich. Alles in allem gibt es nichts zu Meckern.
Weiß man wie alles zu laufen hat, ist das Spiel in zwei Minuten aufgebaut. Eine erfrischende und wohltuende Abwechslung zu aufwendigen Setups umfangreicher Dungeon-Crawler – die Frage ist, ob „One Deck Dungeon“ beim Spielspaß mithalten kann.
Spielverlauf
Zu Beginn wählt man einen von insgesamt vier Charakteren, die sich in ihren Eigenschaftswerten und speziellen Fähigkeiten unterscheiden. Die Eigenschaftswerte, Kampfkraft, Geschicklichkeit und magische Kraft, bestimmen dabei die Anzahl zur Verfügung stehender Würfel, die man bei den Herausforderungen des Spiels nutzen kann. Jedem Wert ist eine Farbe zugeordnet, damit die Zuordnung leichter fällt. Eine Kampfkraft von drei etwa bedeutet, dass einem drei gelbe Würfel zur Verfügung stehen.
(Eine kleine Anekdote zur Charakterwahl: Es können nur Heldinnen, keine Helden, gewählt werden. Das hat zu einer größeren – aus meiner Sicht vollkommen überflüssigen – Diskussion in der Community gesorgt, die nur eins gezeigt hat: Diese Design-Entscheidung der Macher des Spiels war goldrichtig.)
Der Dungeon bzw. das Verlies wird durch einen Stapel Karten repräsentiert, von denen vier verdeckt ausgelegt werden. Der Spieler kann im Rahmen seines Zuges eine der vier Karten wählen und damit einen der vier Räume betreten. Dahinter verbirgt sich entweder eine feindliche Kreatur oder ein Hindernis, etwa eine Falle. Auf der Karte finden sich neben der passenden, schönen Illustration, mit Ziffern bedruckte Felder.
- Hinter der ersten Tür lauert ein Skelett.
Der Spieler würfelt nun, entsprechend seiner Eigenschaftswerte, die dazu passenden Würfel. Dabei kann er Tränke und Spezialfähigkeiten nutzen, um zusätzliche Würfen zu erhalten oder gemachte Würfe zu wiederholen oder zu verbessern. Mit Hilfe der nun feststehenden Würfelaugen muss er versuchen, die Ziffern auf den bedruckten Feldern der Karte zu erreichen oder zu übertreffen – entweder mit einem, oder mit mehreren Würfeln, die zudem einer bestimmten Farbe, sprich: einem bestimmten Eigenschaftswert, zugehörig sind. Je nachdem, wie gut dies gelingt, erleidet der Spieler Schaden oder verliert Zeit.
- Für alle Felder hat’s bei diesem Käfer leider nicht gereicht… Drei Zeit- und ein Lebenspunkt gehen verloren. Und das Bild offenbart einen Regelverstoß (sorry) – das Feld mit der „5“ hätte, wegen des grünen Schildes, zuerst abgedeckt werden müssen.
Zeit wird durch das ereignislose Ziehen und Ablegen von Verlies-Karten simuliert. Sie geht auch verloren, wenn man dem gezogenen Gegner erst einmal nicht gegenübertreten möchte und die Flucht vorzieht – die kostet zwei Karten. Ist dann der Verlies-Stapel aufgebraucht, muss man eine Ebene hinabsteigen und die Grundanforderungen an die Würfelproben steigt.
Hat man einen Gegner niedergerungen oder eine Falle überwunden, kann man den Sieg auf drei Arten nutzen – die jeweilige Verlies-Karte hat die dazu passenden Informationen am Rand abgedruckt: Man sammelt Erfahrungspunkte, man erhöht seine Eigenschaftswerte oder man erhält eine zusätzliche Spezialfähigkeit. Funktional und praktisch ist dabei, dass die gewonnene Verließ-Karte so unter die eigene Charakterkarte geschoben werden kann, dass die entsprechende Belohnung, z.B. ein zusätzliches Symbol für „Kampfkraft“, genau an der Stelle hervorlegt, an der auf der Charakterkarte dieser Wert angegeben ist. Ohne Bruch im Design und der Informationsstruktur „wächst“ damit die eigene Charakterkarte visuell um den gewonnenen Vorteil. Sammelt man hingegen die Erfahrungspunkte, hilft das beim Aufstieg ins nächste Charakterlevel, in dem noch mehr zusätzliche Fähigkeiten und Steigerung von Grundwerten möglich sind.
- Gewonnene Items und Kräfte werden unter die Charakterkarte gelegt und erweitern diese nahtlos. Die Kollegin ist schon ganz gut unterwegs, aber für den Endgegner reicht das noch nicht….
Ist der Verlies-Stapel aufgebraucht und steigt man eine Ebene im Verlies hinab, wird der Ablegestapel der Verlieskarten neu gemischt und alles beginnt – freilich eine Stufe heftiger – von vorn. Nach dem dritten Mal aber wartet der „Endgegner“ – ein Drache oder ein anderer Oberschurke, den es anfangs zu wählen gilt. Die Karte des Bossgegners bestimmt gleichzeitig auf ihrer Rückseite die Grundschwierigkeit des Verlieses über zusätzlich zu würfelnde Augen, je nach Verliesebene. Gewinnt man diesen letzten Kampf, ist das Spiel gewonnen. Über einen Kampagnenmodus kann man nun übergreifend Fähigkeiten mit ins nächste Abenteuer nehmen.
Fazit
„One Deck Dungeon“ ist clever designt, geht ökonomisch und sehr funktional mit den zur Verfügung stehenden Mitteln um und ist trotzdem sehr schön gestaltet. Die Mechaniken funktionieren. Es ist erstaunlich, wie viele Tiefe durch die eröffneten Möglichkeiten entsteht: Wage ich den Kampf oder fliehe ich und verliere damit Zeit, also Karten, und am Ende damit vielleicht die Möglichkeit, möglichst schnell neue Fähigkeiten hinzuzugewinnen? Nutze ich den besiegten Gegner für den Ausbau meiner Fähigkeiten oder zum Sammeln von Erfahrungspunkten?
Eins muss man aber mögen: Würfeln. Das Glück spielt die Hauptrolle. Trotzdem erlauben die Wahlmöglichkeiten und die Spezialfähigkeiten nicht zu unterschätzende strategische Entscheidungen. Hat man richtig Pech, kann man meist nichts machen – oft aber kann man sich mit ein bisschen Nachdenken selbst aus dem Dreck ziehen. Sehr erfrischend ist der schnelle Verlauf – Setup und Spiel sind in einer halben Stunde zu machen.
Natürlich muss man für die Handlichkeit und das schnelle Spiel einen Preis bezahlen: Neben der fehlenden Komplexität – die Schlichtheit ist, wie gesagt, auch ein Plus – vermisst man vor allem Atmosphäre. Die kann das Spiel, auch wegen fehlender Hintergrundgeschichte oder Stimmungstexten, kaum aufbauen.
Für einen Einzelspieler ist „One Deck Dungeon“ hervorragend geeignet. Keine der Mechaniken leidet unter der Abwesenheit von Mitspielern. Alles in allem ist es eine vergleichsweise flüchtige, aber eben auch schnelle, erfrischende und kurzweilige Spielerfahrung. Das Design ist clever und durchdacht. Der Preis ist fair – wegen der sehr kleinen Box ist der Aufschlag beim Import aus den USA nur gering.
Für Fans von Würfelspielen, Fantasy-Thema und kurzweiligem Spiel sehr zu empfehlen.
Gesamtwertung: 7/10